Chongqing Express

Since 2014, trains from Chongqing but also from other desitations in China (like Wuhan, Xi’an), are arrinving in Duisburg; by now almost 60 trains per week. Reason enough to work about the so called New Silk Road / Road and Belt Project, the connections between China and Europe, and how it effects the Ruhr Area and the people living there.
We understand our work on the border and as a connection between document and artistic work. In our artistic, photographic work we react to social changes and look at them from our personal perspective, with associations and connections that arise and develop in the course of the work.

Trains from China also terminate in Mannheim or Rotterdam, Liège, Genève or Paris; Alibaba (Chinese biggest online commerce company) opens a first hub, a warehouse and logistic center in Liège Belgium.

Chongqing Express is part of Cartographie Dynamique»»

Biennale für Aktuelle Fotografie, Kunsthalle Mannheim 2022
curated by Iris Sikking
Beyond Emscher, Zollverein Essen 2022
curated by Stefanie Grebe, Giulia Cramm, Carla Zimmermann
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Chongqing Express
Artist book, edition of 6
28 x 22 cm
524 pages, 7 different papers, digital offset, black-white Xerox, lasercopy, handbound.

Chongqing Express exhibited at:
2022 Kunsthalle Mannheim, Biennale für aktuelle Fotografie
2015 Stiftung Zollverein, Essen


Die Neue Seidenstraße endet in Duisburg. Seit 2014 kommen regelmäßig Güterzüge aus China im Ruhrgebiet an. Mittlerweile (2021) sind es über 60 Züge in der Woche – sie bringen neben Elektroartikeln auch Lebensmittel, Grabsteine, Mode, Toilettenpapier, Corona-Schutzmasken und-test, aber auch »Transfers« für Skateboards, Sport- und Kosmetikartikel oder Zahnimplantate. Bei einem flüchtigen Check unseres Equipments, das wir bei diesem Projekt eingesetzt habe, wurde ebenfalls deutlich, wieviele Produkte »Made in China« wir selber täglich nutzen. Für das Projektsind das: die Japanische Kamera, die nunauch in China produziert wird, die amerikanische Festplatte, Druckerpatronen,eine Video-Kamera, verschiedene Werkzeuge, Batterien und nicht zuletzt Schuhe und die Kleidung, die wir tragen. Auf dem Rückweg nach China sind viele Container oft noch leer.

2018 waren wir im Rahmen eines Künstleraustauschs in Chongqing, quasi am Anfangder Neuen Seidenstraße. Ein Bild, eine Vorstellung davon zu haben, wie das »andere Ende« aussieht, die Stadt, in der der Zug beginnt, hilft, über die weltweiten Verbindungen und Verknüpfungen nachzudenken. (Neben dem Zug aus Chongqing kommen auch Züge aus Xi‘an und anderen chinesischen Städten in Duisburg an). Eher per Zufall waren wir dort, wo Kleiderballen verpackt und von Tagelöhnern nur mit ihrer Muskelkraft ohne weitere Hilfsmittel transportiert wurden. Und in Paris sahen wir identische Pakete in den Straßen von Aubervilliers, wohin die Chinesischen Mode-Großhändler aus dem Marais umgesiedelt wurden; wohlmöglich ein Aspekt des Konzepts »Grand Paris«.

Mittlerweileändern sich auch die Gewerbegebiete zwischen Duisburg und Dortmund: chinesische Firmen siedeln sich an, Amazon und andere internationale Unternehmen bauen immer neue und größere Logistik-Zentren; neue Terminals, die die Schiene mit der Straße und den Flüssen verbinden werden geplant und gebaut, neue Gewerbegebiet entstehen da, wo jetzt noch Brachland ist.

Durch die neuen Unternehmen kommen neue Menschen ins Ruhrgebiet, andere sind schon da, mit chinesischen Produkten und chinesischen Menschen in Kontakt, mit China und Chinesinnen im Austausch. Sie arbeiten zum Beispiel auf den Terminals; die LKW Fahrer auf den Straßen und Autobahnen kommen zum großen Teil aus Osteuropa. Duisburg wirbt damit, dass in Neudorf ein erstes »Chinatown« entsteht, Chinesinnen studieren im Ruhrgebiet an den Universitäten in Dortmund, Duisburg, Essen oder Bochum, 7 Städte haben Partnerstädte in China, erste Straßen und Plätze werden nach diesen Städten benannt. Chinesische Namen und Begriffe werden sichtbarer, Teil des Alltags. Und immer mehr Schulen unterrichten die chinesische Sprache ab der 5. Klasse, wie z.B. das Max- Planck-Gymnasium in Duisburg Meiderich.
Sorge macht, ob es durch diese Annäherung politische Konsequenzen haben wird. Wie sehr wird z.B. die Überwachung eine Rolle hier in Europa spielen, wie sehr werden politische Ideen von Europa übernommen, oder über Europa gestülpt werden. Sorgen macht man sich um die Europäischen Unternehmen: wie kann ein globalisierter Handel, in einer globalisierten Welt gerecht sein für alle. (Ein für dieses Projekt nicht weiter verfolgtes Thema ist auch die Wanderung von Flora und Fauna zwischen den Kontinenten, die neuen Arten, die sich ansiedeln und deren Folgen.)

Parallel zu den Schienen und Autobahnen im Ruhr-gebiet verläuft die Emscher. An der Quelle in Holzwickede ein Zitat des chinesischen Philosophen Konfuzius. »Die Weisen erfreuen sich am Wasser«. Für die Recherche blickten wir zurück auf die alte Seidenstraße, die Eroberungen und Schatzschiffe des Zheng He im 14. und 15. Jahrhundert, die deutsche Kolonialisierung von Tsingtao Ende des 19. Jahrhunderts, der Bau der Eisenbahn durch die Franzosen in Yunnan, die kulturellen Errungenschaften, die schon lange Zeit Teil auch unserer Kultur sind, wie z.B. das Porzellan, das Papier oder die Druckkunst. Die Emscher-Renaturierung istwiederum auch ein Vorbild für anderen Industrienationen: immer wieder kommen Delegationen, auch aus China, um sich zeigen zu lassen, wie mit Industrieab-fällen und Wasserverschmutzung um-zugehen ist. // Die ersten chinesischen Restaurants eröffneten übrigens 1929 inDeutschland in Berlin, im Ruhrgebiet 1962das Restaurant »Peking« in Bochum (das2017 schließen musste) oder 1958 in Essenein Restaurant auf der Rottstraße. Mittlerweile, sind die Produkte, die in den Küchen genutzt werden aus Asien importiert, das Essen ist authentischer als das deutsch geprägte »chinesische Essen« noch in den 1980er oder 90er Jahren.

Schon bei früheren Arbeiten wie z.B. »You and Me, ein Projekt zwischen Bosnien, Deutschland und den USA« und der »Japanese Lesson« war es uns wichtig, zu verdeutlichen, wie die auf der Welt zeitgleichen Ereignisse direkt und indirekt miteinander verwoben sind. In dem Komplex »Cartographie Dynamique« verknüpfen wir Städte und Projekte weltweit, die für uns miteinander verbunden sind.



Die Arbeit an diesem Projekt fand während der Corona Pandemie statt: Ab März 2020 wurde die gegenseitige Abhängigkeit immer deutlicher: der Virus, der zuerst in China auftauchte und sich weltweit verbreitete, Produkte die fehlten, Masken, Tests und Schutzkleidung, die aus China importiert werde mussten; an verschiedenen Orten, die wir im Rahmen unseren Projekts aufsuchten, wo wir fotografieren wollten, waren Test- und Impfzentren entstanden. In Dortmund nicht weit entfernt vom Phoenix-See (das Stahlwerk, das dort einmal stand ist in der Nähe von Shanghai wieder aufgebaut worden) waren die Veranstaltungsorte von Phoenix-West wie z.B. der »Tresor West« geschlossen, die »Warsteiner Music Hall« als Impfzentrum genutzt. Und im Suezkanal blieb das Containerschiff »Ever Given« der Reederei »Evergreen« (einer Internationalen Gesellschaft mit Sitz in Taiwan) liegen, blockierte für Wochen den Schiffs- und Warenverkehr, in einigen Branchen macht sich der Mangel von bestimmten Waren oder Kleinteilen bemerkbar. Für den Sommer 2021 plant übrigens die Chinesische Plattform Alibaba die Eröffnung eines Logistikzentrums in Liège, in Georgien werden Tunnel für den Zug von chinesischen Unternehmen gebaut und auch in der Türkei kommt seit Januar 2021 ein direkter Zug aus Xi’an in Istanbul an. Weitere Ziele von Chinesischen Containerzügen sind Mannheim und natürlich Rotterdam. Immer wieder wird bewusst, wie weltweite Ereignisse mit jedem einzelnen von uns selber zu tun haben. Diese persönliche Ebene, die Bedeutung globalen Handelns, die weltweiten Zusammenhänge sind zudem nicht zu trennen von zwischenmenschliche Beziehungen.

Im Gegensatz zur »Japanese Lesson« bei der das Gehen eine wesentliche Rolle für das Entstehen fotografischer Bilder spielte, ist die Fortbewegung im Ruhrgebiet noch immer durch das Fahren auf der Autobahn geprägt. Die längeren und kürzeren Strecken zwischen Holzwickede und Oberhausen, Dortmund und Bottrop, Bochum und Gelsenkirchen, Essen und Duisburg wären ohne Auto in dem von uns angesetzten Zeitraum gar nicht möglich; kurzfristige, spontane Fahrten auch in weit entlegener Gegenden, Anfahrten für nächtliche Motive, sind eher kompliziert, wenn nicht unmöglich.

Die Autobahnen werden immer breiter, mehrspuriger, die rechte Spur ist quasi ununterbrochen, abstandslos von LKW befahren, auch hier sieht man chinesische Schriftzeichen auf einigen den Containern. Aber jetzt wissen wir auch, wie es hinter den Lärmschutzwänden der Autobahnen aussieht. Und kennen die Orte, an denen die Fahrer ihre LKW parken und dort in ihnen Kabinen oder privaten PKW leben und übernachten – auf Autobahnraststätten oder auch in abgelegenen Gegenden neben den Bundes- und Landstraßen. // Unser fortwährendes Unterwegssein, das Fahren auf der Autobahn, tagsüber aber auch nachts, wird Im Künstlerbuch sichtbar – als durchgehender Strang, als Rhythmus zwischen den einzelnen Orten, die wir aufgesucht hatten, den Menschen, die wir getroffen hatten – nur einmal unterbrochen für ein kurzes Durchatmen: ein Spaziergang mit dem Chinesen Hao Wen, der zum Studium der Foto-grafie an der Folkwang Universität nach Essen kam, und mit dem wir zwischen der Emscher und dem Rhein-Herne Kanal nahe des »Monument for a Forgotten Future« zusammen gingen und dabei über Fotografie und die Verbindungen zwischen China und Europa sprachen. Der Ort war bewusst ausgewählt: Die Frage nach der Zukunft, den Prognosen für das Ruhrgebiet stellt sich – und die Fragen nach dem danach: wie das Ruhrgebiet 2049 aussehen wird, wenn die neue Seidenstraße offiziell fertig sein soll; zudem ist es nicht weit vom Gasometer in Oberhausen entfernt, an dem der Zug die Emscher überquert, ein Skatepark direkt an der Autobahn liegt und ebenfalls ein großes Test- und Impfzentrum entstanden war.

Neben Hao haben wir noch viele weitere Menschen getroffen. Zu einigen haben wir gezielt Kontakt gesucht, wie z.B. der jungen Mitarbeiterin, die auf dem Trimodal-Terminal in Duisburg arbeitet (und die wir in einem chinesischen Beitrag über den Hafen in Duisburg entdeckt hatten), oder zu ihrem Kollegen, der mit einem der einem Transformer gleichenden »Reachstacker« gleich zwei Container transportieren kann. Zu den Lehrerinnen und Schülerinnen des Max-Planck-Gymnasiums, Harry, dem Trainspotter, der uns bei YouTube über Details über den Zug aus China berichtet und den wir an einem seiner liebsten »Spots« trafen. Die Leiterin des Konfuzius-Insituts in Duisburg oder die Professorin der Uni Münster, die in Bochum studierte und ihre Doktorarbeit zum Thema »Chinesische Studierende in Deutschland« schrieb.

Die meisten der Portraitierten sind aber tatsächlich über persönliche Kontakte im engeren Bekanntenkreis entstanden, in unserem persönlichen Umfeld. Eine chinesische Kuratorin in Essen, die uns über chinesische Künstlerinnen berichtete (und deren Ehemann sehr früh für einen deutschen Konzern in China arbeitete); einen chinesischen IT-Fachmann aus Duisburg, den wir in einem Tee-Laden in Düsseldorf trafen; eine Expertin für Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen, die wir aus unserem Tai Chi Unterricht kennen; einen Textilingenieur, der hier für ein chinesisches Unternehmen arbeiten, die Jeansstoffe für den internationalen Markt produzieren und der uns von einer engen Freundin vorgestellt wurde; Mitarbeiter*innen von chinesischen Restaurants, in denen wir während der Arbeit am Projekt gegessen haben und die ihr scharfes Chili aus Chongqing importieren; ein Skater, der für seine Boards Transfer-Folien aus China benötigt, da sie nicht mehr auf anderen Wegen lieferbar sind.

Am Ende unserer Reise haben wir den kleinen Modellbahn-Container, der auf verschiedenen Fotografie eine Rolle spielt, an der Mündung der Emscher in den Rhein fallen lassen und ihn auf die Reise nach Rotterdam geschickt.«

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Gesten, 2021
each 45 x 60 cm, unframed prints
New Silk Road / Container
Paris (2021), Dortmund (2021), Frankfurt (2022),
Mannheim (2021), Rotterdam (2011), Liege (2021)
each 80 x 100 cm, folded newsprint, framed

Prolog
Phoenixsee Dortmund (2019), Near Chaotianmen Market, Chongqing (2018)
Grossiste à Aubervilliers, Paris (2019)

A Walk with Hao, near the Monument of the Forgotten Future
Gelsenkirchen 2020

work in progress: videos with Hao’s gestures


Chongqing Express (exhibition Zollverein Essen 2022) detail