Charakterdiebe
NRZ, 27.10.2007
Zurück aus Japan sind die Foto-Künstler Katja Stuke und Oliver Sieber und haben ihre Stadt-Ansichten aus drei Monaten Osaka jetzt in der Galerie am Eck ausgebreitet. Was steckt hinter den Masken? „Back from Japan“: Die Galerie am Eck zeigt Fotoarbeiten Von Katja Stuke und Oliver Sieber Ein Mann, der in ein Auto einsteigt, ein Paar Schuhe auf dem Boden einer Wohnung, ein Gesicht in der Menge. Ansichten der Stadt hat Katja Stuke mit der Videokamera aufgenommen, Motive ausgewählt und zu einem Tableau zusammengefügt, „public/private“.
So entsteht eine leicht melancholische Bildfolge, die dem Betrachter Raum für Fantasien lässt. Dabei ist alles genau bemessen, jeder Ausschnitt wichtig. Das genaue Gegenteil eines Schnappschusses. Die Arbeit ist eine der Früchte eines dreimonatigen Aufenthalts in Osaka, ermöglicht durch ein Art-Ex-Stipendium, das Stuke und Sieber von Januar bis April 2006 nach Japan brachte.
„Das Beste daran war die Möglichkeit, sich ausschließlich der Arbeit zu widmen,“ sagt Sieber über die Zeit. „Aber natürlich auch, vollkommen neue Eindrücke zu sammeln.“
Einer dieser Eindrücke waren die jungen Leute, die sich wie Figuren aus Mangas und Animes kleiden, den japanischen Comics und Zeichentrickfilmen. „Charakter Thieves“ heißt Siebers Reihe, die die Träger der Kostüme in ihren Wohnungen zeigt, in Parks und auf öffentlichen Plätzen in Japan, Deutschland und auch Kanada. Dabei geht es Sieber wie in vielen seiner Arbeiten um die Frage von Identität, Individualismus und Gruppenzugehörigkeit.
Frappierend, welche Spannung sich aus dem Gegensatz zwischen den aufwändigen Kostümen und der Architektur ergibt, wenn ein als altertümlicher Samurai verkleideter Fan auf einem Balkon in Osaka steht oder „Sailor ChibiMoon“, eine Art rosa Häschen, in einem Park in Potsdam. „Jubei Chan“ mit der herzförmigen Augenklappe sitzt in einem prächtigen Wohnzimmer in Toronto.
Diese „Charakterdiebe“ entfalten einen fast poetischen Reiz. Auch ein weiteres Ergebnis des Osaka-Aufenthalts ist in der Galerie zu besichtigen. Stuke und Sieber initiierten dort einen Foto-Blog, der am Ende über 1500 Bilder erbrachte, die als Dia-Projektion gezeigt werden. Weitere Arbeiten der beiden Künstler sind derzeit auch in der Ausstellung „Jeneusse doreé“ in der Galerie ESTEMPoray an der Hüttenstraße 63 zu sehen. Thomas Hag