Eigene Drehorte
Katja Stuke, Oliver Sieber
Das Böhm Projekt
Kerstin Stremmel, Camera Austria 97/2007
Keine leichte Übung, zwei eigenständige Positionen, die in einer gemeinsamen Publikation aufeinandertreffen, auch in einer Ausstellung kenntlich zu machen. In der Studio-Präsentation Das Böhm-Projekt der Photographischen Sammlung, SK Stiftung Kultur gelingt es ebenso souverän wie in den meist vierteljährlich erscheinenden Künstlerheften, die Katja Stuke und Oliver Sieber herausgeben.
Die Böhm, 1999 von den beiden Künstlern unter dem Titel Frau Böhm gegründet, enthält vorwiegend eigene Beiträge, die Autorschaft wird in der Regel kenntlich gemacht. Gemeinschaftsprojekte, etwa die Ausgabe Nr. 20A, betitelt Original in Farbe, mit Schwarzweißaufnahmen von Orten, die Kinogänger aus Hollywoodfilmen kennen, sind die Ausnahme. Wenn Fotografien anderer Künstler Eingang in die Publikation finden, wird damit zugleich eine Facette der Arbeitsweise des Künstlerpaars dokumentiert: Das Heft Nr. 28 ist aus einem Webblog entstanden, den Stuke und Sieber 2006 während eines artist-in-residence-Programms in Osaka initiiert haben. In diesem Blog hat sich assoziativ Bild an Bild gereiht, die fotografischen Beiträge verschiedener Kolleginnen korrespondieren oft formal oder thematisch, manchmal reicht eine Bilderspur von der Betrachtung der eigenen Füße über ein Schuhgeschäft bis zu den abgestellten Schuhen vor einer japanischen Wohnung – ein Motiv, das bei Katja Stukes Untersuchungen von Privatsphäre in der Ausstellung noch häufiger auftaucht. Das Projekt verdeutlicht, wie wichtig beiden Künstlern Kommunikation und Vernetzung auf internationaler Ebene ist, die Qualität des fotografischen Experiments lässt sich auch im Künstlerheft überprüfen.
Zu einem Tableau angeordnet, werden die Hefte in der Ausstellung in Plastikschubem an der Wand präsentiert und können durchgeblättert werden. Darüber hinaus wird deutlich, wie gut die anderen Präsentaiiuiisiuinien des fotografischen Materials funktionieren; damit greift die Ausstellung das multimediale Interesse der Künstler auf, die etwa unter der Adresse www.frau-boehm.de/handelszentrum über virtuelle Ausstellungsräume verfügen.
Ausgewählte Fotografien aus den Böhm-Heften werden auch in Monilorinstallationen gezeigt. Besonders wirkungsvoll gelingt das bei der eingangs erwähnten Serie „Original in Farbe“, wenn die Fotos von Filmschauplätzen wieder auf den Bildschirm überführt werden. Darunter ist die East 16th Street – bekannt etwa aus Woody Allans Manhattan Murder Mystery – mit einer Passantin, deren Rückenansicht eine tadellose Identifikationsfigur und ein assoziationsreiches Film-Still der anderen Art abgibt. Hier wirkt das Schwarzweiß-Bild deutlich bedrohlicher als in der farbigen Version, in der es in der Böhm-Publikation mit dem Titel Schauplatz Bühne erneut auftaucht.
Auch die Manhattan Bridge, bekannt aus Batman Forever oder Independence Day, wirkt in Farbe, präsentiert in Siebers Serie Großstadt, weniger unheimlich als die parallel dazu gezeigten Kleinstadtbilder von Katja Stuke, deren Bedrohlichkeit vom Banalen, einer trügerischen Idylle, ausgeht.
Dieses Unbehagen entsteht auch beim Betrachten jener Bilder der Künstlerin, die in der Ausstellung als Originalfotos an den Wänden gezeigt werden: Straßen- und Raumansichten aus Japan unter dem Titel Osaka Public sind gezielt ausgesuchte Standbilder aus zuvor gemachten Videos, die an Aufnahmen von Überwachungskameras erinnern und naive Konzepte von Privatsphäre hinterfragen. Von Oliver Sieber sind ruhige und konzentrierte Porträts ja- panischer Jugendlicher aus der Serie JSubs zu sehen, eine konsequente Fortsetzung seines Interesses an den Merkmalen von Gruppenzugehörigkeit und Individualität. Beide jüngst entstandenen Serien belegen das wache und eigensinnige Interesse der Künstler an der Welt, wie sie ist.