Who are you this time?

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Diese Zeile aus einem Song von Tom Waits zitiert der amerikanische Fotograf Ted Partin in einem der über 550 Einträge der Böhm/Kobayashi Encyclopedia. Keine passendere Frage könnte man an die Herausgeber der genannten Publikation selbst stellen. Hinter Böhm/ Kobayashi verbergen sich Katja Stuke und Oliver Sieber, doch hinter ihrer Identität stecken viele Figuren: Fotograf/in und Künstler/in, Kurator/in und Initiator/in von Ausstellungen, Gestalter/in und Herausgeber/in von Künstlerbüchern. Wer sie jeweils gerade sind, wenn sie sich durch ihren fotografischen Kosmos bewegen, lässt sich nicht immer mit Gewissheit sagen. Durch ihr Werk und ihre Vermittlungstätigkeit sind sie jedoch längst schon zu Moderatoren einer bestimmten fotografischen Kultur geworden.

Who are you this time? – Diese Frage könnte sich zunächst an die Protagonisten von Siebers und Stukes eigenen Arbeiten richten. So unterschiedlich ihre jeweiligen Ansätze auch sind, so stellen sie doch auf ihre Weise die alte Frage des fotografischen Porträts: Wer bist Du als Einzelner und als soziales Subjekt? Oder besser, welches Bild, welches Image möchtest Du von Dir geben?
Seit vielen Jahren bittet Oliver Sieber junge Leute vor seine Kamera, deren Aufzug ganz im Zeichen der »Dresscodes« einer bestimmten jugendlichen Subkultur stehen, seien sie Punks, Skins, Teds, Rockabillies, Wave Gothics, etc. Manchmal sind sie extravagant gestylt, manchmal ist ihr Auftritt nur verhalten, manchmal sind es einfach nur einzelne Figuren, deren Erscheinung ihn interessiert. Trotz ihrer engen Kadrierung und der Präzision der fotografischen Abbildung haben Siebers Porträts eine Form entwickelt, die seinen Modellen einen gewissen Freiraum lässt. Scheinbar versunken in ihren Gedanken, den Blick in die Weite gerichtet, strahlen sie eine bestimmte Autonomie aus, ein »Für-sich-sein« im kurzen Moment der Aufnahme. Dieser Freiheit entspricht Siebers Organisationsweise der Bilder in der jüngsten Präsentation seiner Arbeit: In Imaginary Club folgen die Figuren keiner typologischen Ordnung, der Fotograf kombiniert vielmehr die farbigen Bildnisse verschiedener Serien mit Schwarzweiß-Aufnahmen von Straßenszenen oder Konzerten und entwirft im Nebeneinander der verschiedenen Typen und ihrer Orte einen »imaginären Club«, eine Koexistenz unterschiedlicher Styles, die sich über die Differenz zum gesellschaftlichen Mainstream definieren. Dass seine Porträts in Europa, in den USA und in Japan entstanden sind, gibt eine Idee davon, wie sich die Schattengewächse der Subkulturen im globalisierten Underground des Pops fortpflanzen und verändern. Eines Tages, wenn diese Bewegungen verschwunden sind, dann wird Siebers Porträt-Atlas, deren Bildnisform Assoziationen an die Indianerfotografien des 19. Jahrhunderts weckt, zum Dokument einer anderen, urbanen Ethnografie. Auch in Katja Stukes Arbeiten geht es um die Frage nach dem »Typus«, doch führen sie, mit einem hybriden Mix aus Video und Fotografie, eine andere Tradition fort, die des anonymen Porträts auf der Straße. Für ihre Serie der Suits (»Anzüge«) filmt sie vorbeieilende Passanten in London, Tokyo, Osaka und New York. Vor dem Bildschirm setzt sie das Editing ihres Materials fort und fotografiert genau jenen Moment vom Bildschirm ab, in dem sich der Einzelne aus der Masse herauslöst. Nahm Walker Evans 1946 in den Straßen von Downtown Detroit die moderne Erscheinung des Arbeiters auf (in seiner Serie »Labor Anonymous«), so gilt Stukes heutiges Augenmerk zunächst einer anderen Berufsklasse, Menschen in Anzügen. Doch auch dieser Dresscode ist nicht ausschließlich dem Aufzug des Bankers und Geschäftsmannes vorbehalten, manchmal genügt der rote Haarschopf eines japanischen Jugendlichen, um diese Uniformierung subversiv umzudeuten. Ergänzt werden die fotografischen Figuren der Straße durch Stukes Aneignung von gefundenem Material, etwa gedruckter Film Stills, in denen Anzug tragende Kinohelden einer früheren Zeit noch eine andere Souveränität verkörpern als die des globalisierten »homo oeconomicus « unserer Tage.
Der Titel einer früheren Serie von Katja Stuke lautet CCTV, die englische Bezeichnung für Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Dass es in ihren Arbeiten um eine künstlerische Analyse dieses Raums geht, signalisiert nicht zuletzt die deutlich sichtbare Struktur der Fernsehmonitorröhre und des Rasters des farbigen Offsetdrucks in ihren großformatigen Prints. Sie werden zu Signaturen des öffentlichen Bildes.

In der Ausstellung Our House sind die Arbeiten Imaginary Club und Suits in getrennten Räumen an der Wand zu sehen, doch existieren sie auch in der Form von Künstlerbüchern oder tauchen im Dialog auf den Seiten eines Magazins auf, das nicht unwesentlich zur internationalen Bekanntheit von Katja Stuke und Oliver Sieber beigetragen hat. Frau Böhm, später Die Böhm oder schlicht nur Böhm lauten die Ausgaben ihres »Fanzines«, eines Künstler-Magazins in kleiner Auflage, das sie seit 1999 herausgeben. Im Schutz dieses Pseudonyms entwickelten Sieber und Stuke somit ein eigenes publizistisches Format, ein experimentelles Forum ihrer Arbeiten für die »printed page«, wo ihre jeweils neuen Serien aufeinander Bezug nehmen und andere Formen einer ausschließlich auf Bilder basierten Narration erproben konnten. Längst wurde aus diesem Label, ergänzt um den japanischen Namen »Kobayashi« (der ähnlich geläufig ist wie der deutsche Name »Böhm«) eine Plattform für die unterschiedlichsten Aktivitäten des Künstlerpaars, wie etwa das Böhm Handelszentrum, eines ausschließlich virtuell bestehenden Ausstellungsraums im Internet. Seit zwei Jahren stellen sie, nun wieder in der realen Welt des Kunstraum in Düsseldorf, unter dem provozierenden Titel ANT!FOTO Facetten fotografischer Praxis vor, die sich durch ihre sehr eigenständige und medial reflektierte Haltung auszeichnen.

Who are you this time? Katja Stuke und Oliver Sieber sind inzwischen weltweit tätige Handlungsreisende in Sachen Fotografie, mehr unterwegs als zuhause in ihrem Düsseldorfer Atelier. Wie kaum andere deutsche Künstlerinnen und Künstler aus ihrer Generation haben sie in ihrem Werk die Alltagskultur Japans reflektiert oder die mythischen Orte des Films zum Gegenstand ihrer Fotografie gemacht. Wie sehr die »armen Medien« der Populärkultur unsere Imagination ausfüllen, zeigen ihre Arbeiten, mit denen sie das Museum für Photographie – um mit dem Titel der Ausstellung zu sprechen – zu »ihrem Haus« machen. Nicht zuletzt offenbaren sie dabei die vielen Gesichter sowie die mehr und mehr migrierenden Bildformen und Präsentationsweisen des Mediums Fotografie.

This line from a song by Tom Waits is quoted in an interview with the American photographer Ted Partin which appears in one of the more than 550 entries of the Böhm/ Kobayashi Encyclopedia. No other question could be more fittingly posed to the editors of this publication, as behind Böhm/Kobayashi lurk the duo Katja Stuke and Oliver Sieber, who together cover an extensive range of personas: photographers and artists, curators
and exhibition organizers, designers and art book editors. Yet as they move through their photographic cosmos, it is not always so easy to determine where one identity ends and the other begins. Regardless, in their works and activities as artists and art facilitators they have long since become moderators of a very specific photographic culture.

Who are you this time? – This question could also be posed to the protagonists of Sieber’s and Stuke’s works. As different as their approaches might be, each formulates the classic question of the photographic portrait: Who are you as an individual and as a social subject? Or to put it in other words: Which Image of yourself would you like to put forward?
For many years Oliver Sieber has been asking young people to appear in front of his camera, people whose clothing is associated with a specific subculture, be it punk, skin, teddy boy, rockabilly, goth, etc. Many are extravagantly styled, yet while sometimes the look is an elaborate act, other times an individual figure’s appearance strikes the artist’s interest. Despite the narrow frame and the precision of the photographic depiction, the form of Sieber’s portraits lends the models a certain freedom. Seemingly lost in their thoughts, staring into the distance, they exude an autonomy, a presence within
themselves at the moment when the image is made. This freedom also corresponds to the manner in which Sieber displays the pictures in the most recent presentation of his work.

In Imaginary Club the figures are not arranged according to types, instead the photographer combines the images of different color series with black and white shots of street scenes or concerts. In these juxtapositions of different styles and locations he creates an “imaginary club”, a co-existence of diverse styles that define themselves by the way in which they diverge from mainstream society. The fact that the portraits were created in
Europe, the U.S. and Japan indicates how the shadowy apparitions of sub-cultures propagate themselves and are modified in the globalized pop underground. When one day these movements have become extinct, Sieber’s collection of portraits, the form of which evokes associations with the photographs of Native Americans taken in the 19th century, will
assume the importance of an urban ethnographic document.

Katja Stuke’s hybrid mixtures of video and photography also explore specific types and characters, but they represent the continuation of a different kind of tradition – that of the anonymous street portrait. For her series Suits she films passers-by in London, Tokyo, Osaka and New York, as they scurry here and there. She further edits the material in front of her computer screen, capturing the exact moment on the monitor when an individual
emerges from the masses. While in 1946 Walker Evans documented the figure of the modern worker on the streets of downtown Detroit in his series Labor Anonymous, Stuke focuses on another professional group – men in suits. Yet this dress code is not exclusively reserved for bankers and businessmen. Sometimes all it takes is a glimpse of the bright red hair of a Japanese adolescent to subversively reinterpret this uniform. The photographic
figures from the street are supplemented by Stuke’s use of such found material as printed film stills of classic movie stars in business attire, as these individuals embody a very different kind of sovereignty from that of the globalized “homo oeconomicus” of our age. An early series by Katja Stuke bears the title CCTV, the term for surveillance cameras in public areas. The artistic analysis of public space in her works is signaled by the clearly
visible structure of the television monitor tubes in the large-format prints as well as by the grid on the color offset prints. These elements become the signatures of public images.

In the exhibition Our House, the works Imaginary Club and Suits are shown on walls in separate rooms, yet they also exist in the form of artist’s books or appear as dialogues on the pages of a magazine, which has contributed in no small way to the international reputation of Katja Stuke and Oliver Sieber. The individual issues of their fanzines, which they have been issuing since 1999 in small print runs, bear the titles Frau Böhm, Die Böhm or simply Böhm. Under the cover of this pseudonym Sieber and Stuke have developed
their own publishing platform, an experimental forum for their work on the printed page, where their new series reference one another and explore narrative forms based entirely on images.

The artists have long since turned this label (now supplemented with the Japanese name “Kobayashi”, which is as common as the German name “Böhm”) into a stage for the duo’s diverse activities, such as the Böhm Handelszentrum (Böhm TradeCenter), a virtual, online exhibition space. For two years, under the provocative title of Antifoto the two have been presenting – at the moment in the real space of the Kunstraum in Düsseldorf –
aspects of a photographic technique that is characterized by a unique, media-reflected stance.

Who are you this time? Katja Stuke and Oliver Sieber have become international traveling salesmen in the field of photography, who feel more at home on the road than they do in their atelier in Düsseldorf. Like no other German artists of their generation, they have portrayed the everyday culture of Japan in their works or turned the mythic locations of film into a subject of photography. With their works – which illustrate to what a tremendous
extent the “poor media” of popular culture shape our imaginations – they have turned the Museum für Photographie into “their house”, as the exhibition’s title indicates.
Not least of all, they reveal the many faces and the ever migrating image forms and presentation methods of photography as a medium.